Wie ich zur Mediengestaltung gekommen bin

Bevor ich die Realschule abschloss wurde es Zeit zu überlegen, was ich werden möchte. Durch verschiedene Praktika probierte ich aus, was mir Freude machen könnte. Ich bearbeite in der freien Zeit gerne Fotos, beschäftige mich gerne kreativ; mit Grafikprogrammen probierte ich einiges aus, um selbst die Gestaltungsmöglichkeiten besser kennenzulernen und meine Ideen umsetzen zu können. Ich absolvierte ein Praktikum in einer Werbeagentur in Nürnberg. Meine Talente überzeugten die Chefin. So begann ich nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Mediengestalterin in Tutzing in einem kleinen Familienbetrieb. Die Berufsschule besuchte ich in München, an der Alois–Senefelder Schule. Während der Berufsschule hatte ich ein/e Dolmetscher/in im Unterricht, um den Unterricht verfolgen zu können.

Zu Beginn des 1. Lehrjahres, also für die ersten 3 Monate, war das nicht möglich gewesen, weil die Kostenübernahme für den Gebärdensprach – Dolmetscher noch nicht geregelt war. In dieser Zeit ging ich ohne Dolmetscher zur Berufsschule und bekam leider nicht viel mit. Meine Mitschüler, die neben mir saßen, haben einiges für mich aufgeschrieben, wofür ich sehr dankbar bin. Manchmal stellte sich ein/e Lehrer/in direkt vor mich und sprach sehr deutlich. Aber das war sehr anstrengend, mich für 1 oder 2 Stunden lang dauernd auf das Mundbild zu konzentrieren. Meine Mutter und ich kämpften weiter und bekamen schließlich eine Bestätigung der Kostenübernahme vom Bezirk Oberbayern. Das war eine sehr große Erleichterung für mich.

Nach 3 Jahren schloss ich meine Ausbildung gut ab und bewarb mich sofort um einen Arbeitsplatz. Fast ein halbes Jahr später hatte ich nach zahlreichen Bewerbungen noch keine Arbeitsstelle gefunden. In den meisten Absagen stand, dass sie sich für einen anderen Bewerber/in entschieden hätten. Für mich war klar: Wegen meiner “Hör-Behinderung”! Durch das Arbeitsamt konnte ich dann eine Weiterbildungs-Maßnahme in der DAA beginnen. Dort gab es eine Gehörlosengruppe. Die Dozentinnen halfen mir per Telefon nach einer freien Stelle zu fragen. Ich habe nach 2 Monaten gleich zwei verschiedene Praktika absolviert. Bei der zweiten Praktikumsstelle, einer Lebkuchenfirma, wurde ich übergenommen und arbeitete dort, bis vor kurzem, als Mediengestalterin. Nach Babypause und Hausbau bin ict im Medienbereich einer öffentlich-rechtlichen Organisation tätig. In meiner Freizeit gebe ich Gebärdensprachkurse (DGS) an der örtlichen VHS.

Ich unterrichtete an der VHS und machte nebenbei eine berufsbegleitende Ausbildung, die ich als anerkannte Gebärdensprachdozentin abschloss. Zum ersten Mal in meinem bisherigen Schulleben erlebte ich, dass alle Lehrer*innen gebärdensprachkompetent waren. Es war wie ein Traum für mich! Viele Gehörlosenschulen haben hörende Lehrer, die leider nicht gebärdensprach kompetent sind oder nur wenig Gebärden können, sodass wir permanent auf Lautsprache und damit auf das höchst anstrengende Ablesen des Mundbildes angewiesen waren. Die Konsequenz war, dass wir daheim alles nochmal nachlesen und -lernen mussten. In dieser Ausbildung konnte ich endlich alle Unterrichtsstoffe verfolgen. Ich war Feuer und Flamme! Alles war so interessant, meine Muttersprache, also die Gebärdensprache, tiefer zu verstehen hat mich erst recht bestärkt. Es ist unglaublich, wie diese Sprache aufgebaut ist. Das hat mich sehr stolz gemacht, was für eine Sprache ich besitze. Dabei habe ich auch gelernt, wie ich Gebärdensprachkurse abhalten und gestalten kann. Nach der Corona-Verzögerung habe ich meinen Abschluss im März 2021 erhalten. Nach dem Abschluss habe ich die VHS-Kurse zu Ende geführt., Dann war der zweite Familienzuwachs unterwegs. Nach der Babypause unterstütze ich zwei Familien, die gehörlose Kinder haben mit Hausgebärdenkursen, denn mir ist wichtig, dass die Kommunikation innerhalb der Familie funktioniert, und dass gehörlose Kinder verstanden werden und verstehen können. Nun bin ich seit Anfang Oktober 2022 wieder aus meiner Elternzeit zurück und freue mich, wieder hier in der Bundeswehr auf der Grafik-Stelle zu sein.

Heute wissen nur sehr wenige Menschen, wie es gehörlosen Leuten ergeht. Mir ist es wichtig dazu beizutragen, dass hörende Mitmenschen mehr und mehr erfahren, dass wir Gehörlosen trotz des fehlenden Gehörs, alles können und auch an allem interessiert sind.

Habt keine Angst vor gehörlosen Leuten beim Bewerbungsgespräch! Bevor ihr ihnen absagen wollt, lernt sie erst mal kennen. Dafür gibt es einen Gebärdensprachdolmetscher!

Für den gehörlosen Bewerber ist es schwierig, am ersten Tag der gegenüberstehenden Person, die er noch gar nicht kennt und deren Mundbild er zum ersten Mal sieht, gleich richtig von den Lippen abzulesen. Das ist eine hohe Leistung! Daher ist es für beiden Seiten eine Erleichterung und ein guter Start für das erste Gespräch, einen Gebärdensprachdolmetscher zu haben. Beim nächsten Mal wird man schon ohne Dolmetscher gut zurecht kommen, ob mit sprechen, schreiben oder gestikulieren.

Dann sieht die Welt ganz anders aus 🙂

Cora Friebl